Zur Asylgesetzrevision

Die Revision des Asylgesetzes wurde im Nationalrat mit 138 zu 55 Stimmen angenommen, im Ständerat mit 35 zu 5. Die Nein-Stimmen in Nationalrat kamen ausschliesslich aus der SVP-Fraktion, welche sich geschlossen gegen die Änderung aussprach. Es war dann auch die SVP, welche das Referendum dagegen ergriffen hat. Dass gerade die Partei, die sich in den letzten Jahren fast ausschliesslich zu diesem Thema geäussert und Lösungen gefordert hat, eine solche verhindern will, überrascht mich nur begrenzt.

Die Revision des Asylgesetzes hat zum Ziel, die Verfahren zu straffen und zu verkürzen, was wohlgemerkt eine alte Forderung der SVP ist. So schreibt die Partei im Oktober 2013 in einem (zugegebenermassen ablehnenden) Artikel: "Selbstverständlich begrüsst die SVP jegliche Beschleunigung der Verfahren […]". Und schon in einer Motion im Jahr 2010 fordert Luzi Stamm: "Asylverfahren dauern viel zu lange. […] Im Interesse der Rechtssicherheit, auch für den Asylsuchenden, ist es angezeigt, die Dauer des Asylverfahrens […] zu verkürzen."

Heute schlägt die Partei aber andere Töne an. Im Argumentarium der Volkspartei gegen die Revision steht: "Mit der Revision können noch mehr Asylsuchende noch schneller hierbleiben, ungeachtet, ob sie an Leib und Leben bedroht sind oder nicht. Schnellere Verfahren helfen nur, wenn der Vollzug bei der Ausweisung konsequent durchgesetzt wird. Das ist eine Frage der Führung." [Hervorhebung original] Vergangen sind also die Tage, als die SVP eine Beschleunigung der Verfahren als selbstverständlich begrüssenswert erachtet oder sogar gefordert hat.

Grund dafür scheint mir nicht ein ernsthafter Gesinnungswandel zu sein, sondern viel mehr die Angst, durch Erfüllung einer alten Forderung den sich selbst verliehenen Status des Underdog hergeben zu müssen. Die alte Leier, das Parlament verweigere sich der Wünsche der SVP, funktioniert eben nur so lange, bis diese vom beinahe gesamten Parlament unterstützt werden.

Es hat fast den Anschein, dass der Volkspartei weniger an der Lösung des Problems liegt, als an dessen medienwirksame Bearbeitung.

Ganz abgesehen davon, dass die Dauer des Verfahrens keinen Einfluss darauf hat, wie lange ein anerkannter Flüchtling in der Schweiz blieben kann ("Mit der Revision können noch mehr Asylsuchende noch schneller hierbleiben [...]"). Einzig die Aufenthaltsdauer eines abgewiesenen Asylsuchenden würde sich verändern.

In diesem Beitrag möchte ich gerne auf einige Punkte der Nein-Kampagne eingehen und meinen Kommentar dazu abgeben.

Die Panikmache vor den sogenannten "Gratisanwälte[n] für alle Asylsuchende[n] […]" ist bei näherer Betrachtung nicht stichhaltig. Insbesondere da der kostenlose Rechtsbeistand ein grundlegendes Recht unseres Landes ist (Bundesverfassung Art. 29, Abs. 3, via NZZ). Neu ist bloss, dass den Asylsuchenden von Anfang an jemand zur Seite steht und dass die Rechtsbeistände neu pro Fall (Art. 102l, Abs. 2) vergütet werden. Solche Pauschalen werden wohl kaum, wie von der SVP behauptet, zu Verzögerungen bei den Verfahren führen. Viel eher wird es den Rechtsbeiständen ein Anliegen sein, die individuellen Fälle so rasch als möglich abzuschliessen und aussichtslose Verfahren nicht unnötig in die Länge zu ziehen.

Ein weiteres Argument, das von der SVP und dem Hauseigentümerverband vorgebracht wird, sind die Enteignungen, welche im Rahmen des revidierten Asylgesetzes grundsätzlich ermöglicht werden. Im Zuge eines Plangenehmigungsverfahrens wird es für den Bund nach Annahme der Revision theoretisch möglich sein, private Eigentümer zu enteignen (Art. 95b). Das ist richtig. Es ist aber sehr unwahrscheinlich, dass für die Einrichtung eines Asylzentrums tatsächlich private Gebäude vom Bund übernommen werden. Die Enteignung stelle eine Ultima Ratio dar, sagt das Bundesamt für Migration (SEM) und werde weder bei geplanten Bundeszentren, noch bei Reservestandorten in Betracht gezogen. 

Ich glaube dem SEM. Besonders deshalb, weil es dem Bund in vielen Bereichen möglich ist, Enteignungen durchzuführen. Beim (Aus-)Bau von Bahnlinien, Autobahnen, Strassen, Flughäfen, Armeeinfrastruktur und mehr ist das möglich und wird auch gemacht. In diesen Bereichen ist es aber weder der SVP noch dem HEV ein Anliegen, die Bürger von Enteignungen zu schützen. Wer sich, wie zum Beispiel der Präsident des HEV Hans Egloff, für Projekte stark macht, welche Enteignungen zulassen (zum Beispiel die Limmattalbahn), bei Asylzentren dann aber plötzlich von gefährlichen Erweiterungen des Enteignungsmöglichkeiten spricht, ist unglaubwürdig.

Dazu kommt, dass sich Berufungsverfahren in Enteignungsfällen jahrelang hinziehen können. Der Bund hat kein Interesse daran, sich auf einen langwierigen juristischen Prozess einzulassen, um dann in 15 Jahren ein Asylzentrum einrichten zu können. Viel realistischer ist es, dass das SEM den Weg des geringsten Widerstands gehen wird und wirklich nur im äussersten Notfall, der wohl kaum jemals eintreten wird, Enteignungen durchführt.

Mehrkosten, gegen welche die einzige grosse Partei mit Nein-Parole Stimmung macht, sind auch nicht zu erwarten. Der Evaluationsbericht des EJPD zum Testbetrieb rechnet sogar damit, "dass die Neustrukturierung des Asylbereichs zu wesentlichen Verfahrensbeschleunigungen und mittelfristig zu Kosteneinsparungen führt" (S. 13).

Das neue Asylgesetz mit Rechtshilfe gleicht das Gefälle zwischen der Asylbehörde und den Asylsuchenden aus und sichert, dass wer Schutz benötigt, diesen in der Schweiz findet. Wer Waffen in Wert von Milliarden Franken in Krisengebiete exportiert, darf sich dieser Verantwortung nicht entziehen.

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